Vorsicht, Kopf einziehen ruft mir der freundliche Mann von der Deutschen Bahn noch zu. Leichter gesagt als getan. Nach unten begrenzt mein Tankrucksack den Platz und oben ist die Decke bedrohlich nahe. Meine einzige Chance, den neuen Helm nicht gleich in einen Zustand zu versetzen, der ihn 10.000 km älter aussehen lässt, besteht darin, seitlich am Motorrad vorbeizusehen. Auf diese Art balanciere ich bis an den Anfang des Zuges.
Begonnen hat alles im Frühling. Der Termin für die Motorradtour des Sommers stand, das Ziel auch. Nur die Anfahrt von über 1.000 Kilometern auf deutschen und französischen Autobahnen gefiel uns nicht besonders. Warum nicht einmal mit dem Autoreisezug. Ausgeschlafen ankommen, verspricht die Deutsche Bahn.Nun, dies gilt wohl nur für etwas kürzer gebaute Zeitgenossen. Wenn ich mit meinen 1,80 Metern auch nicht gerade zu den Längsten gehöre, so ist die Liege im Reisezug für mich doch nur diagonal zu belegen.
Nicht ausgeschlafen wie versprochen, aber zumindest ausgeruht begrüßt uns der nächste Tag. Wir sind in Frankreich, was sich bereits dadurch bemerkbar macht, dass der Schaffner zum Frühstück ein frisches Baguette in unser Abteil bringt. Mit Kaffe und Obst zusätzlich gestärkt lassen wir uns in Avignon mit einem Shuttle- Bus zum Güterbahnhof fahren, um unsere Motorräder wieder auf die Straße zu bringen.
Avignon wird noch immer beherrscht von ihrer Zeit als Päpstliche Residenzstadt in den Jahren von 1309-1376. Das Stadtbild ist geprägt von dem Residenzschloss der Päpste und der mächtigen Kathedrale aus dem 12. Jahrhundert. Wir nutzen die frühe Stunde um unbehelligt von anderen Touristen einen Spaziergang durch die Stadt und zum Papstpalast zu machen.
Natürlich werfen wir auch einen Blick auf die berühmte Brücke St.-Bénézet.
Im Kopf noch das Lied "Sur le Pont d´ Avignon" zieht es uns nun zu unseren Motorrädern. Die Pyrenäen sind noch eine gute Tagesreise entfernt, wollen wir doch auch noch einen Abstecher zur nur 25 km entfernten Pont du Gard machen. Das über 2000 Jahre alte Aquädukt zeugt noch immer eindrucksvoll von der Baukunst der frühen römischen Kultur. Die großen Parkplätze (Motorräder frei!) auf beiden Seiten des 49 Meter hohen Bauwerkes zeigen ebenso eindrucksvoll, was den Besucher hier während der Saison an Menschenmassen erwartet. Genug der Geschichte, wollen wir heute doch noch bis nach Narbonne, wo eigentlich unsere Reise gestartet hätte, wenn nicht der Zug dorthin bereits ausgebucht gewesen wäre. Die französischen Nationalstraßen ermöglichen ein zügiges Vorankommen und ersparen uns zudem noch die hohen Autobahngebühren. Ab Montpellier lohnt sich ein Umweg über die N112, die zwischen Sète und Agde über 14 Kilometer auf einem Damm entlang führt. Rechts von uns liegt das Bassin de Thau und links laden die Sandstrände des Golfe du Lion zum Baden ein.
Heute erwarten uns endlich die Berge. Doch sie sind uns anscheinend nicht freundlich gesinnt. Auf dem Weg nach Perpignan halten wir uns immer dicht an der Küste, da im Landesinneren dunkle Wolken drohen, die auch uns mit dem einen oder anderen Schauer streifen. Wir haben die Hoffnung auf unseren ersten Aufstieg schon fast begraben. Doch je näher wir den Ausläufern der Pyrenäen kommen, desto heller wird es. Die Farbe Blau werden wir zwar heute vergeblich am Himmel suchen, aber es verspricht wenigstens trocken zu bleiben. In Port-Vendres, ca. 20 Kilometer vor der spanischen Grenze, biegen wir von der N114 auf die D86, die uns zum 652 Meter hoch gelegenen Tour de Madeloc führen soll. Durch Weinberge führt die tolle Straße immer höher hinauf und bietet fantastische Aussichten auf die Küste und die Pyrenäenausläufer.